Wir haben uns scheint es verliebt ins Langfahrtsegeln oder bis jetzt sollte man sagen Längerfahrtsegeln denn so richtig kommt dass an ein Atlantiküberquerung noch nicht ran, was wir in der letzten Woche erlebten. Da uns Sizilien nicht so wirklich umgehauen hat planten wir unsere Passage nach Sardinien. Noch auf der Insel Lipari hatten wir die Schnauze voll von Swell (Wellen) wenn man ihn nicht gebrauchen kann, nämlich vor Anker. Da die Marinas ja hier unverhältnismäßig teuer sind liegen wir oft vor Anker in Buchten aber das bedeutet auch, dass wir bei ungünstiger Wetterlage und fehlenden Verstecken mal mehr mal weniger durchgeschüttelt werden, vergleichsweise versuch doch mal einen Kaffee zu kochen während Du auf ner Schiffschaukel sitzt. Ich bin ja froh um 15 Jahre Ballett, die einem neben allem anderen ein gute Balance beibringt, es hilft damit die Töpfe beim Kochen nicht im hohen Bogen durchs Boot fliegen. Selbst das schlafen ist mit Schunkeln kein Spass mehr.

Also lichten wir die Anker und segeln nochmals an Festland bevor wir die Weiterreise entlang der Küste nach Westen und dann mit einem großen Sprung von den pelagischen Inseln nach Sardinien machen wollen. Der Zwischenstopp in Palermo (ganze EUR 60 pro Nacht rufen die Marineros hier auf) war aber dann doch ein notwendiger als auch ein interessanter Aufenthalt. Unterwegs versagt nämlich unsere Batterie für die elektrischen Ankerwinschen, d.h. nach Fehleranalyse die Batterie austauschen. So ganz zu Fuß eine 25kg Batterie durch eine unbekannte Großstadt zu schleppen hat uns dann doch veranlaßt, mal unsere Klappräder einzuweihen, ein willkommenes Geschenk von Edith & Walter. Blitzschnell hatten wir das passende Transportmittel für die Batterie, die wir auf dem Gepäckträger verstauten. Nicht schlecht staunten da die E-Bikers an Palermos Promenade, so ein E-Bike hätten sie noch nie gesehen, mei was ein Spass.

Anschließend haben wir per pedes noch die Altstadt Palermos erkundet, denn dank Corona ist das Straßenleben einschl. Gastronomie ab 18h vorbei.

 

Um es am 31.10. Halloween noch ein wenig makaberer zu gestalten schauen wir uns noch die Catacombe dei Cappuccini an, wo 8000 menschliche Skelette von Mönchen seit dem 18 Jh mumifiziert wurden und der Öffentlichkeit als schaurig schönes Sammelsurium menschlicher Überreste aller Stände dargeboten werden. Der Mittelpunkt, die Leiche der 2 jährigen Rosalia Lombardo, die aussieht, als ob Sie gerade mal ein Schläfchen macht (seit 1920).

Danach geht’s weiter durch alte engen Gassen und vorbei an der Kathedrale uvm und wieder zurück zum Hafen, wo unser Blümsche zwischen Leuten, die Ihre Angel inmitten schwimmenden Mülls ins Wasser halten, auf uns wartet. Wir sind eingedeckt für die Weiterfahrt, mit Lebensmitteln, Strom, Wasser und Gas. Mit der Wettervorhersage sind wir weniger glücklich, es sieht nach einer langen Flaute mit Wind gerade mal bis max. 10kn aus, das reicht, um unsere ANTHOS nach vorne zu schieben aber im Schneckentempo. Also entschließen wir uns ohne Zwischenstopp zu segeln, über Nacht, denn der erste Versuch vor einigen Tagen von Sant Angelo di Miletto nach Palermo mit 95 NM (167km) hat erstaunlich gut geklappt, ganze 22 Std. waren wir unterwegs und sind morgens um 6 Uhr vor Palermo angekommen. Diesmal lagen 180 NM (333 km) vor uns, gesagt getan, wir sind dann mal weg. Das erste mal ohne wirklichen Kontakt mehr zur Küste, in der Ferne verschwinden die Konturen des Festlandes, kein Handyempfang und irgendwann siehst Du nur noch 360° Wasser. Der Wind hat zumindest für die Hälfte der Strecke zum segeln ausgereicht, jetzt alles an Segelfläche raus was Du hast und wir sausen teils mit 8kn voraus bevor der Wind dann schlagartig stirbt. Der Titel “wer fiert verliert” läßt sich für die Autofahrer vielleicht am besten mit “wer bremst verliert” übersetzen, denn wir wollen alles rausholen, was uns der Wind schenkt.

Das Gefühl über weite Strecken zu segeln war angenehm beruhigend, unsere ANTHOS pflügt zuverlässig durch die stille See, in der Ferne sehen wir Delphine und Klaus des Nachts eine Schildkröte. Zweimal ruhen sich Zugvögel bei uns an Deck aus, wir versuchen sie mit Wasser und Brotkrümeln bei uns willkommen zu heißen, aber irgendwann sind sie weg. Die Schichten mit Wache an Bord gehen schnell und erstaunlich problemlos von statten, ich falle auf Kommando um und schlafe auch wenn der Motor neben mir bollert ganz im Gegensatz zu Klaus, der nur vor sich hin döst bis er nur noch zombiegleich aufs Vordeck schleicht. Ich danke meiner Eigenschaft, egal wo und wie zu schlafen. Tatsächlich fühlt man sich auf unserem schwimmenden Zuhause geborgen, auch wenn das bei 1000m Wassertiefe und ruhigem Wetter ein echter Trugschluß ist.

Trotzdem die 2502 nm (4026 km) Entfernung in ca. 3 Wochen nonstop, die wir über den Atlantik segeln werden, scheinen mir eine Reise zu sein, auf die ich mich freue. Ausgerüstet sind wir weitestgehend, was noch fehlt ist der Schenker Watermaker, weltweites Internet (mit Starlink möglich und bezahlbar) und ein bißchen Segeltuning.

Einstweilen lauschen wir der Stille des Ozeans und verfolgen die Blips von Schiffen auf dem Radar, die in weiter Entfernung an uns vorbeiziehen. Die Nacht ist zum Teil sternenklar mit Sternschnuppen und Vollmond (kitschig aber wahr) teils aber auch tiefschwarz und wolkenverhangen. Nach 36 Std. sind wir an Sardiniens Küste angekommen und das Fazit lautet, es macht Spaß dieses Langfahrtsegeln, wir avancieren langsam von Inselhoppern zu richtigen Seglern, das ist dann nach Ankunft auch gleich eine heiße Dusche wert und ein kaltes Bier, irgendwo auf der Welt geht sicher gerade die Sonne unter (von wegen kein Bier vor vier).

Heute morgen mal schnell ins glasklare Wasser gesprungen (immerhin hat’s noch 23°) und nach einer ruhigen durchgehenden Nachtruhe dann weiter entlang der Küste nach Norden. Unser Ziel Frankreich Anfang Dezember zu erreichen steht auf wackligen Fuessen, wenn man dem derzeitigen EU weiten Lockdown und der landesweiten Covidiotie glauben darf. Hoffen wir mal, daß dieser Wahnsinn sich schnell entspannt.

Bis dann bleibt dabei und nicht vergessen …. über den Wind können wir nicht bestimmen, aber wir können die Segel richten.