Nach unseren persönlichen Einschätzungen der Südküste Italiens und was wir bis jetzt in Sizilien erleben durften gefällt uns Sardinien besser. Hier gibt es wieder zahlreiche malerische Buchten und schöne Liegeplätzen mit schnuckligen Marinas. Letztere sind ziemlich ausgestorben auch aufgrund von Corona, trotz allem habe ich mehr Bootspräsenz erwartet, aber das kommt vielleicht noch, denn wir hatten in der Marina Arbatax eine interessante Begegnung. Zunächst aber zwei unangenehme Überraschungen.
Klaus hat sich übel die Hand verbrannt und dem Rat der örtlichen Pharmacia zufolge machen wir sicherheitshalber einen Termin beim Dottore in Tartolio, dass nur 4 km von unserem Liegeplatz entfernt liegt. Schnell die Klappräder raus und auf dem Weg noch diverse Einkaufsmöglichkeiten ausgemacht, sogar einen Baumarkt haben wir gefunden, der die leeren CO2 Kartuschen unseres Sodasprudlers austauscht. Versorgt mit Medikamenten und alles was man sonst noch so alles braucht machen wir uns auf den Rückweg und sind abermals froh über unsere Fahrräder, die uns den Weg erleichtern. Und das bißchen Sport schadet auch nicht.
Angelegt in der Marina Arbatax entdecken wir jedoch, daß sich eine der Festmacherleinen in unserem Bowthruster (Bugstahlruder) verfangen und festsitzt. Da hilft nichts, einer von uns muss ins Wasser und versuchen das Seil zu lösen, Klaus fällt wegen seiner Verletzung aus, das Wasser sieht zum Glück einigermaßen sauber aus, das hatten wir auch schon anders, als wir uns mal in den Peleponnes ein Seil im Propeller eingefangen hatten. Zum Tauchen auf kurze Distanzen haben wir uns ja auch noch ein nützliches Werkzeug für solche Fälle zugelegt, ein Atemregler mit langem Schlauch und Minikompressor. Das hilft schon immens wenn Du bei solchen Manövern nicht immer wieder ständig auftauchen mußt. Ich muß kurz an Ova denken, den Seeleopard, der sich in Aucklands Marina ein Zuhause geschaffen hat und der dem einen oder andern Taucher, der seinen Bootsrumpf reinigt, schon mal begegnet ist. Leider seh ich nichts dergleichen, nur ziemlich trübes Wasser und Betonblöcke.
Das Seil sitzt fest, da hilft nur durchschneiden, aber wenigstens sind wir wieder frei, sonst wäre das Ablegen zum Problem geworden. Wir entscheiden uns noch eine weitere Nacht zu bleiben und lernen dabei unseren Stegnachbarn kennen, den 27jährigen Mel aus Holland, der sich gerade sein erstes Boot, eine 43 Fuss Hanse gekauft hat. Nur, das beichtet er uns gleich, hat er keine Ahnung vom Segeln oder von Booten und muß erst mal alle nötigen Kurse und Zertifikate bekommen. Das finden wir dann schon erstaunlich, wenn nicht sogar etwas kurzsichtig, aber wie viele Segeleinsteiger heutzutage hat er seine Inspiration von ähnlichen Berichten einiger Aussteiger aus Youtube. Mel ist gebürtiger Holländer, ist selbständiger Softwareentwickler und wohnte schon seit einigen Jahren mitten in London. Es scheint mir fast selbstverständlich, diese Lebenseinstellung, zu Arbeiten wo Arbeit ist, viel im digitalen Bereich bei dem man zudem noch egal wo arbeiten kann, sofern man den Zeitunterschied zu seinem Arbeitgeber kennt, außerdem ist es das neue Coronafreundliche Arbeitsumfeld schlecht hin. Da hat die ganze Misere um Corona sicherlich bei vielen ein Umdenken angestoßen. Was brauch ich ein Büro, wenn ich (bald) weltweit bezahlbares Internet nutzen kann (auch auf einem Boot in einer Bucht), was brauch ich den Anschluß an eine große Stadt, wenn ich per Videolinks an Konferenzen und Meetings teilnehmen kann, was brauch ich überteuerten Wohnraum in einer Großstadt, wenn ich meine Arbeit von Zuhause erledigen kann, auch wenn es ein schwimmendes Zuhause ist.
Auch wir sind ja schließlich ziemlich autark auf unserer ANTHOS, Strom liefert uns die Sonne, das Wasser kommt vom Watermaker (den wir ab nächstem Jahr installieren) und Annehmlichkeiten, wie TV, Musik, Dusche, Küche etc müssen wir auch nicht missen. Zudem sind wir noch beweglich und genießen den Luxus des Reisens.
Mel ist ebenfalls der Meinung, dass Covid und die Folgen der Grund dafür sind, daß der Bedarf an Jachten ungebremst durch die Decke geht und die Großstädte langfristig unter Landflucht leiden werden. Das stimmt mich zwar positiv, denn die Welt wird damit weitgehend dezentralisiert, aber ich habe auch so meine Befürchtungen, daß es die Idioten dieser Welt schaffen, damit auch die letzten Refugien, die vor (Über)bevölkerung geschützt sind zu zerstören.
Ich will mir auf jeden Fall mein Leben in Zukunft nicht mit Atemmaske und Hygienevorschriften vorstellen, schließlich ist Corona nicht der letzte Virus, den diese Welt erlebt, von den folgenden Generationen, die die Folgen bezahlen müssen, will ich gar nicht reden.
Alles in allem hatten wir einen interessanten Abend und haben auch Mel ein paar Erfahrungen mitgeben können, die ihm noch nicht wirklich bewusst waren. Ausser dass er nun auf seinem neuen schwimmenden Zuhause sitzt, kann er in der absehbarer Zeit nicht mehr als Arbeiten bevor sich die Lage um Corona wieder entspannt hat. Es war dann doch richtig froh, das wir ihn zum Essen einluden, denn Kochen ist nicht sein Forte. Am nächsten Tag haben wir ihn dann nicht mehr gesehen, bevor wir Arbatax verließen, er schrieb uns aber noch, wie dankbar er für das Gespräch und auch das selbst gekochte Essen war, er habe sich noch lange im Foodkoma befunden (außerdem war er nach ein paar Gläsern Wein völlig hinüber).
Jetzt fahren wir bei ziemlich wenig Wind nördlich entlang der Costa Smeralda (Smaragdküste) in die Inselwelt der Maddalenas, die mich stark an die Bay of Islands in Neuseeland erinnert. Der Unterschied besteht sicherlich in den Preisen, im Sommer rufen die hier bis zu EURO 150 pro Nacht für eine Jacht unserer Grösse auf, der Jetset läßt grüßen. Außerdem wurden hier auch Szenen aus 007-Der Spion der mich liebte gedreht. Zerklüftete Buchten mit glasklarem Wasser und geschützten Stränden, vor denen auch noch die eine oder andere Superjacht liegt, wie die Dilbar, die sechstgrößte Motorjacht der Welt, die dem Russen Usmanov gehört, schlappe USD 1 Mrd wert. In Arbatax lag die nicht minder protzige 135m lange Cresent, Besitzer-ein Milliardär aus dem mittleren Osten, mit schlappen USD 600 Mio schon ein Schnäppchen.
Jetzt steht die Überfahrt nach Frankreich bevor, die wir vielleicht früher als erwartet machen müssen, natürlich wegen Corona. Bleibt dabei, es geht immer noch weiter.
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